Buchtipps
Lesen kann ein wunderbares Erlebnis sein. Ich lese zwar auch nach dem Zufallsprinzip, aber die hier ausgewählten Themen beziehen sich in der einen oder anderen Form auf meine beruflichen Tätigkeiten, Grundfragen der künstlerischen Existenz und soziologische Aspekte der Kunst. Da Sie den Weg zu dieser Website gefunden haben, hoffe ich, dass diese Bücher für Sie ebenso anregend sein können.Ich liebe es, die Lebensgeschichten von Künstler_innen zu hören – aber auch von Menschen außerhalb der künstlerischen und akademischen Sphären: Interviews mit und Biografien von Menschen, die in Sport, Wirtschaft und Politik reüssieren, Ansichten von Menschen, die sozial empathisch sind und ihren inneren Frieden gefunden haben. Ich liebe es, die Reflexionen derjenigen zu lesen, die über den Tellerrand hinausblicken und ideologische Schranken überwinden können, weil ich davon überzeugt bin, dass dies die Voraussetzung dafür ist, die Komplexität des Lebens besser zu erfassen. Ebenso bereitet es mir Vergnügen Texte von Gegenparteien zu studieren – machmal gleichzeitig. Ich lasse mich gerne auf die Gedanken denjenigen ein, die die Kraft der Veränderung und des Neuanfangs ins Zentrum rücken. Ich bewundere Autor_innen, die Geschichte zu verstehen versuchen und wissen, dass es in der Kunst nicht nur eine Option, sondern eine Verpflichtung ist, über die Zukunft nachzudenken.
Ich habe hauptsächlich jeweils ein repräsentatives Werk ausgewählt und viele Lieblingsautor_innen – vor allem der Philosophie – weggelassen, wenn ihre Themen fernab der Kunst liegen. In der Literatur über Musik habe ich mich auf das zeitgenössische und elektronische Schaffen beschränkt.
Philosophie, Ästhetik
Elektronische Musik
Psychologie
Interviews, Biographisches
Ratgeberliteratur
Verschiedenes
Philosophie, Ästhetik
Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie, Suhrkamp, 1970.
Posthum erschienen, unvollständig, aber dennoch die Quintessenz von Adornos Denken über Kunst. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung relevanter denn je: seine Forderung nach künstlerischer Beschäftigung mit aktuellen technischen Verfahrensweisen. Ironischerweise wird gerade dieser Punkt oft geflissentlich übersehen, da Adorno eher in Kreisen der instrumentalen Neuen Musik als in der Elektronischen Musik rezipiert wird.
Jean-Francois Lyotard: La Condition postmoderne: Rapport sur le savoir (Critique), Les Éditions de Minuit, 1979.
Ein einflussreicher Text über das Ende der großen Erzählungen. Eine – wie sich heute zeigt – äußerst hellsichtige Soziologie des Wissens und entschieden kein Text über die ästhetische Postmoderne, jedoch eine wichtige Grundlage dieses Diskurses.
Jean-Francois Lyotard: Das postmoderne Wissen: Ein Bericht, Passagen Verlag, 1986, 2019.
Niklas Luhmann: Soziale Systeme, Suhrkamp, 1984.
Ein radikal unorthodoxer Blick auf die Mechanik der modernen Gesellschaft und ihre funktionale Differenzierung. Ein krasser Gegensatz zur normativen Theorie Adornos (und zur Kritischen Theorie im Allgemeinen), gerade deswegen erfrischend. Knifflig.
Harry Lehmann: Die digitale Revolution der Musik. Eine Musikphilosophie, Schott, 2012.
Ein provokativer Befund über den Zustand des Betriebs der Neuen Musik auf der Grundlage der Luhmannschen Systemtheorie. Lehmann legt den Finger in die Wunde eines Systems, das radikalen Veränderungen in Folge der Digitalisierung ausgesetzt ist und diese, insbesondere im Vergleich mit anderen Kunstformen, institutionell abwehrt.
Elektronische Musik
Pierre Schaeffer: À la recherche d'une musique concrète, Edition Seuil, 1952.
Eine schonungslos selbstkritische Sammlung von Tagebucheinträgen des Pioniers der Akusmatik. Visionär und zugleich tragisch, da in Gedanken den technischen Möglichkeiten seiner Zeit voraus.
Pierre Schaeffer: In Search of a Concrete Music, University of California Press, 2012.
Giorgina Born: Rationalizing Culture: IRCAM, Boulez, and the Institutionalization of the Musical Avant-Garde, University of California Press, 1995.
Ethnographische Studie über die frühen und mittleren Jahre des IRCAM. Der kritische Blick, die aufschlussreichen Interviews mit sehr verschiedenen am Institut arbeitenden Personen und nicht zuletzt der breite theoretische Horizont der Autorin machen das Buch zu einem eminenten Zeitdokument und einer Pflichtlektüre für alle, die an der Geschichte der Computermusik interessiert sind.
Curtis Roads: Microsound, MIT Press, 2001.
Das ultimative Buch zur Granularsynthese mit einer Überfülle an technischen Kommentaren, ästhetischen Implikationen und Anregungen zu weiterführenden Experimenten.
Joanna Demers: Listening Through the Noise, Oxford University Press, 2010.
Eines der wenigen Bücher, die sich auf der Basis eines soliden philosophischen Fundaments mit experimenteller elektronischer Musik auseinandersetzen. Die Autorin versucht die verwirrende Zerspliterrung in Subszenen mithilfe der Kategorien Sign, Object und Situation zu erfassen.
Curtis Roads: Composing Electronic Music: A New Aesthetic, Oxford University Press, 2015.
Ein äußerst umfassendes Kompendium zu kompositorischen Strategien in der Elektronischen Musik. Der Begriff Aesthetic im Titel ist hier eher im praktischen Sinn der musikalischen Resultate verschiedener Techniken als im Sinn einer spezifischen philosophischen Ästhetik zu verstehen.
Psychologie
Graham Wallas: The Art of Thought, Harcourt, Brace and Company, 1926, Solis Press, 2014.
Ein wirkmächtiges Werk zur Psychologie der Kreativität, geschrieben zu einer Zeit, als das Thema noch keineswegs en vogue war. Seine 4-Phasen-Theorie der Kreativität wurde von vielen übernommen, u.a. von Mihály Csíkszentmihályi.
Mihály Csíkszentmihályi: Creativity, HarperCollins, 1996.
Bekannt geworden durch die Popularisierung des Begriffes Flow, findet Csíkszentmihályi in einer Reihe von Gesprächen überraschende Gemeinsamkeiten kreativer Menschen in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern.
Mihály Csíkszentmihályi: Kreativität, Klett-Cotta, 2007.
Geoff Colvin: Talent is Overrated, Nicolas Brealey Publishing, 2008.
Der Autor hat interessante und z.T. kontraintuitive Literatur zum Thema durchforstet. Insbesondere bezieht er sich auf eine wegweisende empirische Studie von Anders Ericsson zur Praxis des virtuosen Violinspiels. Der mystifizierende Begriff des Talents ist psychologisch schwer haltbar – das hat weitreichende und optimistisch stimmende Konsequenzen für Möglichkeiten zur individuellen Weiterentwicklung.
Geoff Colvin: Talent wird überschätzt, Ariston, 2009.
Adam Grant: Give and Take, Weidenfeld & Nicolson, 2013.
Adam Grant ist Professor für Organisationspsychologie an der Wharton Business School und ein brillianter Geschichtenerzähler. Viele Beispiele aus dem Geschäftsleben und empirisch fundierte Analysen zwischen Psychologie, Spieltheorie und angewandter Ethik.
Adam Grant: Geben und Nehmen, Droemer TB, 2016.
Philip E. Tetlock, Dan Gardner: Superforecasting, Broadway Books, 2015.
Ein empirisch untermauertes Buch zur Theorie und Praxis guter Vorhersagen. Verblüffende Befunde aus der Verhaltenspsychologie und ein Beweis für die Schädlichkeit des Scheuklappendenkens.
Philip E. Tetlock, Dan Gardner: Superforecasting, S. Fischer, 2016.
Interviews, Biographisches
Ursula Stürzbecher: Werkstattgespräche mit Komponisten, dtv, 1973.
Eine Sammlung von zwanzig Interviews mit prominenten Komponist_innen der Nachkriegsmoderne (darunter nur eine Frau). Die Autorin vermittelt durch äußerst aufmerksame Fragestellungen ein vielschichtiges Panorama der Szene mit Fokus Deutschland.
Mason Currey: Daily Rituals, Alfred A. Knopf, 2013.
Die bemerkenswerten Rituale berühmter historischer Persönlichkeiten, bündig zusammengefasst – nicht immer zur Nachahmung empfohlen.
Mason Currey: Musenküsse, Kein & Aber, 2014.
Ratgeberliteratur
Steven Pressfield: The War of Art, Orion, 2003.
Ein unterhaltsames Pamphlet wider den inneren Schweinehund, geschrieben von einem Ehrenbürger von Sparta (sic!). Zum Teil sehr idiosynkratisch und in esoterische Bereiche driftend – anders gesehen: ein Ratgeber mit stark literarischer Schlagseite.
Steven Pressfield: The War of Art, Autorenhausverlag, 2021.
Cal Newport: Deep Work, Generic, 2013.
Im Zeitalter der immerwährenden Ablenkung wird das Prinzip der Fokussierung zu einer der wichtigsten Tugenden. Eine willkommene Erinnerung an eine einfache Wahrheit.
Cal Newport: Konzentriert arbeiten, Redline, 2017.
Erin Meyer: The Culture Map, PublicAffairs, 2014.
Praktische Tipps für den respektvollen Umgang und die Rücksichtnahme auf kulturelle Spezifika. Die Autorin ist Spezialistin für die Schwierigkeiten und Fallstricke der interkulturellen Kommunikation im Businessbereich.
Erin Meyer: Die Culture Map, Wiley-VCH, 2018.
James Clear: Atomic Habits, Penguin Random House, 2018.
Die Macht der Gewohnheit kann vom Schlechten ins Gute gewendet werden. Der Verzicht auf unrealistische Ziele und einfache Tricks zur Selbstüberlistung ermöglichen, wie der Autor zeigt, erstaunliche kumulative Effekte.
James Clear: Die 1%-Methode, Goldmann, 2020.
Verschiedenes
Robert J. Schiller: Narrative Economics, Princeton University Press, 2019.
Narrative prägen ökonomische Entwicklungen möglicherweise weit stärker als bisher angenommen. Der Nobelpreisträger beschreibt Prozesse, die der Ausbreitung von Viren gleichen, anhand historischer Beipiele und mithilfe von Google Ngrams. Äußerst anregend, auch im Hinblick auf die naheliegende Verwandtschaft der Entfaltung von Trends in anderen Bereichen, z.B. der Kunst.
Robert J. Schiller: Narrative Wirtschaft, Plassen Verlag, 2020.